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Kritik an Michael van Orsouw
»Ein Köstlich new Kochbuch« von Anna Wecker soll überhaupt das erste Kochbuch in deutscher Sprache gewesen sein, das von einer Frau verfasst wurde. Falsch, Herr van Orsouw, die Welser Frauen Philippine und Sabina waren schneller, knapp 4o Jahre. Philippine hat einen Mix aus Augsburg (Erweiterung der Rezeptsammlung ihrer Mutter) und Österreich geschafft, Sabina Welser nur Augsburg.
Anna Wecker als Pionierin zu bezeichnen trifft nicht ganz zu. 1566 wurde ihr Ehemann Dr. Hans Jacob Wecker als Stadtphysicus nach Colmar, Elsass, berufen. 1560 wurde er in Italien promoviert und baute sich eine eigene medizinische Praxis auf. Stadtphysikus bedeutete, dass H.J. Wecker arme wie reiche Leute behandeln musste. Die herrschaftlichen Patienten (Adel und Patriziat) brachten ihm sein Einkommen. Wecker, der Name hat nichts mit einem Wecker zu tun, baute in Basel und Colmar ein Kompilierungsnetzwerk auf, dem gut 274 wissenschaftlich gebildete Personen seiner Zeit angehörten. Ziel des Netzwerkes war, Wissen aus Büchern bereitzustellen und neu zu verkarten.
Auch Anna Wecker gehörte diesem Netzwerk an. Sie erledigte Botengänge (Briefe und Schriftsätze), kümmerte sich um Abschriften und half, die Bücher zu exzerpieren. Wenn Michael van Orsouw das als Pionierleistung in einer Männerdomäne verstanden wissen will, bin ich dabei. Dass die Frau eine Rezeptsammlung verfasst hat, ist keine Pionierleistung, das haben viele Mütter für ihre Töchter getan.
“…Zudem war Weckers Werk nicht wie andere Kochbücher damaliger Zeiten für adelige Haushalte mit großen Küchen und Hausangestellten gedacht, sondern für die einfache, gutbürgerliche Küche. Oder wie Foodhistoriker Rudolf Trefzer meinte: Aus Anna Weckers Rezepten spreche «der Geist protestantischer Mässigung und Nüchternheit»…”
Was bitte ist der Geist protestantischer Mässigung und Nüchternheit? Im 16. Jahrhundert sprach man noch nicht von preußischen, protestantischen Tugenden und Werten. Anna Wecker hat ihr Dieteticon auch nicht für die arme bürgerliche Hausfrau geschrieben. In der Renaissance feierte man zwar die Wiedergeburt der Antike, doch nur von den durchschnittlich wenig gut gestellten Personen seiner Zeit konnte Hans Jakob Wecker auch nicht leben. In dem Kochbuch der Anna Wecker ist von protestantischer Nüchternheit wenig zu lesen. Hinsichtlich der Mäßigung appelliert Wecker an den Verstand bezüglich der Gesundheit, nicht der protestantischen Mäßigung.
Weckers Handlungsanweisungen sind noch sehr stark mit dem Mittelalter verhaftet. Sie orientiert sich an Galen, dessen Bücher man im Kompilierungsnetzwerk aufgearbeitet hat. Gerste war zu Annas Zeit eine Zutat, die man besonders zur Heilung des Verdauungstraktes nutzte. Sie ist besonders schleimbildend und entzündungshemmend. Mandelmilch ist ein ganz alt Ding, die verwendete auch Michael de Leone in seinem Buch von guter Speise. Gemäß der Diätik zu Weckers Zeit, war echte Milch gesundheitsschädlich. Man verwendete also Mandelwasser. Die Südfrüchte, die Wecker beschrieb, wurden von ihr zum großen Teil als gesundheitsschädlich beschrieben. Leisten konnten sich diese die armen oder Mittelklasse Bürgerlichen nicht leisten. Südfrüchte waren den Adligen und Patriziern vorbehalten. Anna Wecker konnte sie verkochen, die meisten Patienten ihres Mannes nicht.
Anna Wecker hat ein Dieteticon zusammengetragen, kein simples Kochbuch. Denkbar für mich ist, dass das Weckersche Netzwerk den Stoff für dieses Buch zusammengetragen hat im Rahmen der Secret Books. Beim Lesen der Handlungsanweisungen kann man feststellen, dass hier zwei Schreiber formulierten. Eine Schreiberin zweifelsfrei Anna Wecker. Sie hatte eine klare, geschulte Ausdrucksweise. Die andere Schreiberin wohl Katharina Taurellus. Ihr Text ist schwer zu lesen.
Warum ist das Weckersche Buch in Vergessenheit geraten? Alle Bücher bis zum beginnenden 20. Jahrhundert sind in Vergessenheit geraten. Desweiteren kann mit der Kunst des Temperierens und der mittelalterlichen Dietik niemand mehr etwas anfangen.